24.06.2022
Denzlingen
Einführungsrede zur Ausstellung ZU:SPRUCH von Konrad Wallmeier
Vielen Dank für die Einladung, Konrad. Ich fühle mich geehrt, hier im Denzlinger Kulturkreis deine Ausstellung zu eröffnen, in der Galerie des alten Rathauses, die für einige Zeit zu einem Elektrofachgeschäft umgewandelt wurde.
Werfen wir einen Blick in das Werkverzeichnis von Konrad Wallmeiers Ausstellung, fallen uns ungewöhnliche Materialien ins Auge. Anstelle von Öl- oder Acrylfarbe lesen wir Wattangaben von Netzgeräten. Bei der schieren Anzahl von Schrittmotoren, Controllern, Bewegungssensoren, Akkus oder Batterien vertreten in den 30 gezeigten künstlerischen Positionen denkt man sich in der Schatzkiste von Q, dem Waffenmeister von James Bond. Sogar der Spionspiegel ist vertreten. Wie passend, bedenkt man Konrads Worte: „Es geht bei meiner Arbeit darum, die gewohnten Gedankenpfade, Sicht- und Sehweisen des Betrachtenden aufzubrechen.“
Es summt und brummt und blinkt und piepst um uns herum, als stünde man mitten auf der Sternwaldwiese in Freiburg. Was mich zu einem anderen Arbeitsethos des Künstlers führt, der sich besonders in der Skulptur Unplugged, die mit dem Kunstpreis der Stadt Walldorf 2018 ausgezeichnet wurde, offenbarte: „die Natur unverfälscht und ursprünglich zu erleben und mit allen noch so kleinen Facetten auf eine neue Weise zu erfahren und wahrzunehmen.“ Augmented Reality lobt es sich im Fachjargon.
Dieses Mal hat jedoch ein anderes Werk die Jury des Ministeriums für Wissenschaft Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg überzeugt: Das Herzstück und Namensgeber der Ausstellung: ZU:SPRUCH. Ich lasse Sie die Funktionsweise auf eigene Faust erproben, nur so viel: Wundern Sie sich nicht, wenn Sie plötzlich Stimmen hören, ich versichere Ihnen, dies ist kein Grund zur Sorge, sondern nur Zeichen Ihrer ausgeprägten Sensibilität und Empfänglichkeit für Konrad Wallmeiers Kunstverständnis.
Verweilen wir noch einen kleinen Moment bei dieser Arbeit. Ich durfte Konrad 2020 bei der Ausstellung AUS:LOTEN kennen lernen und wie Sie wahrnehmen können, teilen wir ein Interesse an Wortspielen. Oft wird dieser Hang jenen Menschen zugeschrieben, die sich über das Gewöhnliche hinaus mit der menschlichen Natur und ihrer Verbalisierung auseinandersetzen.
Ich versuche mich mal: Das Wort Zuspruch verkörpert drei unterschiedliche Bedeutungen: 1. ermunternde, tröstende Worte, Worte der Anteilnahme, 2. Zulauf, beispielsweise: die Ausstellung fand viel Zuspruch, und 3. Bei jemanden Anklang finden, beispielsweise: der Weißwein hat allgemeinen Zuspruch bei den Gästen gefunden. Kurz: Trost, Interesse und Zustimmung. Welche Bezeichnung könnte passender unsere heutige Zusammenkunft resümieren?
2020 zeigten wir im DELPHI_space die künstlerische Position Alles im Lot. Ich interpretierte sie damals bezüglich des Balanceaktes, polte sie auf die Unmöglichkeit der perfekten Mitte. Heute, da ich sie wieder vor mir sehe, denke ich mehr an das Prozesshafte, das Tüfteln, das Spielerische der Arbeit. Ich denke an Konrads erfahrungsbasierten Ansatz, seine assoziativen Einfälle, ausgelöst durch das Beobachten, Betrachten, Erproben seiner Umgebung und unserer kollektiven Realität.
Konrad Wallmeier unterhält ein fundamentales, demokratisches Verständnis der Beziehung zwischen Künstler und Betrachter. Unsere einfache Präsenz im Ausstellungsraum bedingt das Kunstwerk (Stichwort: Bewegungsmelder). Wir komplettieren, wir vervollständigen die Ausstellung durch unsere Teilhabe, durch unsere Neugierde und Annäherung. Ich denke an die Demokratisierung des Ausstellungsraumes. Dieses Verhältnis von Betrachter und Künstler und Kunstwerk, die Abkehr von klassischen, typischen Materialien, im Tausch gegen das Technische, das Nützliche, dem der ästhetische Wert abgesprochen wurde, ist Teil der Genealogie, der Entwicklung des Künstlers. Konrads Arbeiten zeugen von seinem ausgeprägten Humor und von den vielen Identitäten im Leben eines Menschen. Er thematisiert Fragenstellungen, die auch Künstler wie Roni Horn und Felix Gonzalez-Torres beschäftigten. Gleichsam erinnert es mich an die Abenteuerlust, das Erfindertum und den Spieltrieb von Philippe Parreno und Pierre Huyghe. Und ich denke an das, was Konrad mit diesen Künstlern teilt: ein ehrliches Interesse am Menschlichen, das heißt am Technischen.
Ich rekapituliere: Ich sprach von Bau- und Elektromärkten, von Geheimdiensten, von Technik und Natur, von Balance und Anteilnahme, von Teilhabe und Demokratie. Sie sehen: Konrad hat den Zeitgeist beim Schopfe gegriffen.
Ich bedanke mich für das Zuhören und Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen angenehmen Ausstellungsbesuch.
Fotos: Thomas Hammelmann